Auktion 112 / Los 2613

Titel
HEILIGE FAMILIE MIT ANNA UND JOACHIM
Künstler
EL GRECO (DER GRIECHE) ('EIGENTLICH: DOMINIKOS THEOTOKÓPOULOS')
Künstlerdaten
1541 Candia auf Kreta - 7. April 1614 Toledo
Entstehung
um 1585
Technik
Öl auf Leinwand (altdoubl.). Verso: Keilrahmen mit altem Wachssiegel
Maße
102,5 x 67 cm (R. 120,5 x 84,5 cm)
Limitpreis
28.000 €
Zuschlag
120.000 €
Beschreibung

Manchen Künstlern ist es vergönnt, Zuspruch und Lob für ihr Werk innerhalb ihrer eigenen Lebenszeit zu erlangen. Andere erfahren es nie und wieder andere werden mit der Rezeption ihrer Kunst Jahrhunderte später wieder geboren. So erfuhr auch der ursprünglich griechisch-byzantinische Ikonenmaler Domínikos Theotokópoulos - El Greco - der sich durch seine Kunst im Stil des spanischen Manierismus eigentlich von den klassischen Normen der Neuzeit abzuwenden suchte, seine eigene Renaissance Anfang des 20. Jahrhunderts. Sein neu gewonnenes Publikum feiert ihn als Vorreiter der modernen Kunst, hatte er doch das Schaffen zahlreicher Künstler dieser Epoche maßgeblich beeinflusst. Seine moderne Malweise spiegelt sich auch in dem Gemälde der heiligen Familie mit Anna und Joachim wieder. In dieser Darstellung positioniert El Greco die fünfteilige Personengruppe vor einem aufbrausenden, schwarz-grauen Hintergrund. Der rhythmisch-sanften Figurenkomposition der Renaissancemeister widersprechend, präsentiert er die heilige Familie in trauter Innigkeit, eng miteinander verbunden. In der Mitte sitzt Maria, flankiert von Anna und Joachim, und trägt das schlafende Jesuskind auf dem Schoß. Den nackten Knaben mit der einen Hand behutsam von unten stützend, legt sie ihre Rechte liebevoll um die Schultern ihrer Mutter, ihre grazilen Lippen zu einem sanften Lächeln verzogen. Anna scheint den Knaben vorsichtig mit einem weißen Tuch zu zudecken. Wie auch der Blick Marias, schlägt Anna die Augen in Bewunderung und emotionaler Zärtlichkeit auf das Jesuskind nieder. Joachim betrachtet den Knaben ebenfalls in stiller Verehrung über Marias Schulter hinweg. Rechts von Maria steht der heilige Johannes in Knabengestalt, nach unten blickend und mit dem Finger Ruhe gebietend. Er scheint mit seiner Rechten der Gruppe eine Obstschale mit Früchten anzubieten. El Greco verwendet für die Farbgestaltung der Kleider gebrochene Farben: Der rote Mantel der heiligen Anna kontrastiert das grünlich-blaue Gewand Marias komplementär. Dies könnte für die Individualität der beiden Frauen stehen, besonders in Bezug auf die Trennung durch die Generationen. Marias rötliche Tunika verbindet Mutter und Tochter jedoch erneut in ihrer Mutterrolle. Joachim trägt ein gebrochenes Gelb. Diese Darstellung der heiligen Familie ist ein Paradebeispiel für El Grecos religiöse Werke. Die Abwesenheit jeglicher Glorifizierung durch Heiligenscheine oder vergleichbare Attribute verleiht dem Gemälde eine Intimität und Normalität, die die Identifikation mit der heiligen Familie zulässt. Mit seinen expressiven, affektgeladenen Kompositionen gleicht El Greco die kompositorisch sanften Wogen der alten Renaissancemeister aus und verschafft seinem Oeuvre einen zeitgenössisch einzigartigen Charakter durch seine überlängten Körper, Gesichter und Gliedmaßen. Ganz im Sinne des spanischen Manierismus übernimmt er das Figurenideal der figura serpentinata mit ihren verschraubten Drehbewegungen und setzt sie in Wechselwirkung mit der Vibration seiner Farbigkeit. Schweflige Gelb-, fahle Blau- und kalte Rottöne kontrastieren die Renaissance-typischen lebhaften Farben, während seine Figuren - manchmal fast leichenbleich - in Grau-Rosa-Tönen changieren. ''El Greco rüttelte am Quaderbau der Renaissance mit ihrem einseitigen Formalismus. Die Renaissance wusste nicht mehr, was Seele heißt, kannte nicht mehr die Sehnsucht nach dem Unendlichen, das Metaphysische.'' (Hugo Kehler, ''Die Kunst des Grecos'', 1920, dritte Auflage, Vorwort). Gewissermaßen hat er der Moderne seinen Geist und seine Seele eingehaucht. Herzlich bedanken wir uns bei Frau Anne Haußmann für die Bereitstellung dieses schönen Katalogbeitrages. Literatur: J. Camon Aznar, Dominico Greco, Madrid 1950 S. 579 fig. 431 und fig. 437; J. Camon Aznar, Dominico Greco, Madrid 1970, zweite Ausgabe, zwei Bände, S. 584 und fig. 473 K. Ipser, El Greco S. 375 Naturwissenschaftliche Untersuchung der Malmaterialien durch Prof. Dr. Elisabeth Jägers, Dipl. Chem. und Dr. Erhardt Jägers, Dipl. Chem. Leihgabe zwischen August 2012 und Juli 2013 im Museum Kunstpalast, Düsseldorf. Provenienz: Sammlung Marques de Villalonga Sevilla; Weltausstellung Ibero Americana 1928, Nr. 34, Sammlung Vda. De Alvares de Toledo; Sammlung Marques de Lianes, Madrid (H. Söhner); Privatsammlung Madrid (Camon Aznar 1950); Sammlung J. Bernhardt, Buenos Aires (Camon Aznar 1970); Sammlung Bernhardt (Karl Ipser, S. 375); Privatsammlung Brüssel. Provenienz: Bedeutende Rheinische Privatsammlung.